Flüssigwasserstoff – Überblick zu einem besonderen Energieträger
Flüssiger Wasserstoff (englisch: liquid hydrogen, abgekürzt: LH₂) bietet ein großes Potenzial für eine nachhaltige und effiziente Wasserstoffwirtschaft in Deutschland. Trotzdem ist die Technologie noch weitgehend unbekannt. Doch was ist eigentlich so interessant an der tiefkalten Flüssigkeit? Wir haben die wichtigsten Informationen für Sie zusammengefasst.
Häufige Fragen zu Flüssigwasserstoff
Welche Energiedichte hat flüssiger Wasserstoff?
Flüssigwasserstoff hat eine hohe gravimetrische (33,3 kWh/kg) und mittlere volumetrische (2,4 kWh/l) Energiedichte, ist also deutlich platzsparender als etwa gasförmiger Wasserstoff und leichter als Ammoniak oder LOHCs (Liquid Organic Hydrogen Carriers, zu Deutsch: flüssige organische Wasserstoffträger) pro Menge gespeicherter Energie. Diese Eigenschaften sind besonders für Energie-Importländer wie Deutschland entscheidend, da Flüssigwasserstoff sich kompakt transportieren und speichern lässt.
Ab welcher Temperatur wird Wasserstoff flüssig?
Wasserstoff ist normalerweise gasförmig. Erst bei extrem niedrigen Temperaturen von etwa -253 Grad Celsius (20 Grad über dem absoluten Nullpunkt) wird Wasserstoff flüssig. Die vergleichsweise warme Umgebungsluft genügt, damit Flüssigwasserstoff wieder gasförmig wird. Außerdem lässt sich Energie sparen, wenn die Flüssigkeit beim Aufwärmen die umliegenden Bauteile oder Prozesse kühlt. Das ist zum Beispiel für Fahrzeuge praktisch, die sich mit Brennstoffzellen-Antrieb und LH2 im Tank fortbewegen.
Was hat Flüssigwasserstoff mit Supraleitung zu tun?
In supraleitenden Gleichstrom-Kabeln lässt sich Strom extrem effizient, ohne elektrische Verluste und platzsparend transportieren. Der Haken: Das Kabel muss dauerhaft bei tiefen Temperaturen betrieben werden (d. h. die von außen eindringende Umgebungswärme muss abgeführt werden). Wenn man nun aber Hochtemperatur-Supraleiter (HTS) mit Flüssigwasserstoff kombiniert, wird die Kühloption quasi ohne Mehraufwand mitgeliefert. Diese Synergie eröffnet ganz neue technologische Möglichkeiten. Ein besonders spannendes Konzept ist die hybride Pipeline: Dabei fließt Strom in einem supraleitenden Kabel in einer LH₂-Pipeline.
Welche Anwendungen hat Flüssigwasserstoff in der Praxis?
Flüssiger Wasserstoff wird schon seit mehreren Jahrzehnten als Raketen-Treibstoff eingesetzt. Aber auch andere Fahrzeuge mit mittleren bis großen Tanks profitieren von der hohen Energiedichte von Flüssigwasserstoff, etwa LKW, Güterzüge, Baufahrzeuge, Schiffe oder Flugzeuge. Sie erreichen mit vergleichsweise kleinen und leichten Tanks hohe Reichweiten und sparen sich separate Kühlsysteme.
Zusätzlich verfügt regasifizierter Flüssigwasserstoff über eine extrem hohe Reinheit (99,9999 %), sodass keine extra Reinigungsprozesse nötig sind. Deshalb wird er bereits heute in der Halbleiterherstellung und der chemischen Industrie eingesetzt. Und auch in der Stahl- und Glasproduktion existieren verschiedene Anwendungen für LH2.
Ist Flüssigwasserstoff sicher?
Generell gilt: Flüssiger Wasserstoff ist nicht mehr oder weniger gefährlich als andere Brennstoffe, er verhält sich nur in vielen Aspekten anders. Da flüssiger Wasserstoff unter geringem Druck gelagert wird, besteht beispielsweise kaum Gefahr durch den Bruch eines Behälters; jedoch muss mit dem ggf. aus LH2-Tanks verdampfenden Wasserstoff sicher und sinnvoll umgegangen werden.
Technische Vorkehrungen für den sicheren Umgang mit gasförmigem und flüssigem Wasserstoff sind bereits heute gängige Praxis im industriellen Umfeld. Wasserstofftechnologie kann deshalb unter entsprechender Handhabe ein gutes Sicherheitsniveau erreichen.
Weitere Informationen über Sicherheitsüberlegungen zu Wasserstoff finden Sie bei unserem Partnerinstitut ITES.
Wie wird Wasserstoff flüssig?
Um Wasserstoff zu verflüssigen, wird das Gas gereinigt und anschließend in mehreren Prozessschritten heruntergekühlt: Ähnlich wie in einem Kühlschrank wird das Gas mehrfach komprimiert, abgekühlt und wieder ausgedehnt, wobei es sich jedes Mal ein wenig weiter abkühlt. Wenn das Gas dann nahe des Siedepunktes -253 °C entspannt wird, kondensiert ein Teil als Flüssigwasserstoff und wird in einem separaten Behälter gesammelt. Der gasförmige Rest wird dem Kreislauf wieder zugeführt.
Bisher sind weltweit einige Dutzend größere LH₂-Verflüssigungsanlagen in Betrieb, jedoch ist ein deutlicher Anstieg der Kapazitäten geplant bzw. gerade im Bau. Dabei gilt die Skalenregel: Je größer die Anlage, desto effizienter und kostengünstiger lässt sich Wasserstoff verflüssigen.
Flüssigwasserstoff speichern und transportieren, fast ohne Verluste?
Ein Tank für Flüssigwasserstoff ist in der Regel kugelförmig oder oval und besteht aus mehreren Wänden, zwischen denen ein Vakuum herrscht. Während der Lagerzeit wird ein kleiner Teil des flüssigen Wasserstoffs gasförmig, sogenanntes Boil-Off-Gas, und auch bei Umfüllvorgängen können Verdampfungsverluste entstehen. Geeignete Technik kann diese Verluste jedoch minimieren oder sogar komplett vermeiden: Zum Beispiel sind verbesserte Tankisolationen sowie effizientere Pumpsysteme im Gespräch, damit in Zukunft immer weniger oder sogar gar kein Flüssigwasserstoff aus Speichertanks verdampft. Zusätzlich gilt auch hier wieder eine Skalenregel: mit zunehmender Größe sinken die Verluste – deshalb laufen gerade Studien, um noch größere Flüssigwasserstoff-Tanks herzustellen. In Fahrzeugtanks kann entstehendes Boil-Off-Gas direkt für den Antrieb verwendet werden.
Wie kommt Flüssigwasserstoff zu uns nach Deutschland?
Um grünen, das heißt klimaneutralen Wasserstoff herzustellen, benötigt man lediglich Strom und Wasser (Stichwort Elektrolyse). Um diesen dann wiederum zu verflüssigen, braucht es ebenfalls elektrische Energie. Deshalb wird Flüssigwasserstoff an Orten hergestellt, an denen viel günstige erneuerbare Energie zur Verfügung steht, etwa in der Nähe von Offshore-Windparks, großen Wasserkraftwerken oder Solarfeldern. Von dort aus wird der flüssige Wasserstoff in geeigneten Behältern per Schiff nach Deutschland transportiert und kann per LKW, Zug oder Pipeline weiterverteilt werden. Schlussendlich kommt LH2 in verschiedensten Anwendungen zum Einsatz, teils direkt in flüssiger Form, teils wieder als Gas.
ITEP-Forschung zu Flüssigwasserstoff
Forschende am ITEP koordinieren das Projekt AppLHy!, welches als Teil des Leitprojekts TransHyDE zur Deutschen Wasserstoffstrategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gehört. Der Fokus von AppLHy! liegt dabei auf der Bereitstellung, Speicherung und dem Transport von flüssigem Wasserstoff (LH₂): Ein Forschungsschwerpunkt am ITEP sind zum Beispiel mögliche Synergien des tiefkalten Flüssigwasserstoffs mit supraleitenden Bauteilen, Antriebssystemen und Bandleitern. Begleitend werden zudem neue Funktions- und Strukturmaterialien für den Einsatz in Flüssigwasserstoff-Anwendungen untersucht und Strategien für die sichere Benutzung der Technologien entwickelt.
Ausführlicher Einblick in den aktuellen Forschungsstand zum Thema LH2